Fokus Forschung: WIR! für die Region Mittweida

Fokus Forschung: WIR! für die Region Mittweida

Forschung, Forschungsprojekte

Sechs Vorhaben mit Beteiligung der Hochschule Mittweida starten im Rahmen der Umsetzungsphase der Blockchain Schaufenster Region Mittweida

Die Stadt Mittweida, die Volksbank Mittweida eG und die Hochschule Mittweida verfolgen im Rahmen des WIR!-Programms des BMBF gemeinsam das Ziel, die Region Mittweida zu einem Schaufenster für die Blockchain-Technologie zu entwickeln. Am 20. März 2019 erhielt das Bündnis die Förderzusage für die bis Ende 2023 terminierte Umsetzungsphase. Der Fokus der Initiative liegt auf der Pilotierung von blockchain-basierten Anwendungen innerhalb von industriellen und öffentlichen Geschäftsprozessen. Dies soll insbesondere durch die gemeinschaftliche Umsetzung mit der regionalen Wirtschaft, die Vernetzung regionaler und überregionaler Akteure sowie die Beteiligung der lokalen Bevölkerung realisiert werden. Durch die Stärken der drei Bündnispartner, die kurzen Entscheidungswege und die hohe Umsetzungsgeschwindigkeit in der Region soll so das Potenzial der Blockchain-Technologie in die Praxis gebracht werden. Das langfristige Ziel ist es, durch die Ansiedlung oder universitäre Ausgründung von Startups zahlreiche Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.

In der nun beginnenden Umsetzungsphase starten insgesamt sechs Projekte mit Beteiligung des Blockchain Competence Centers Mittweida (BCCM) der Hochschule Mittweida:

Zum 01.09.2020 startete unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Matthias Vodel das Vorhaben „WIR! in der Region - Blockchain-enabled Social Commitment“. Das regionale Anreizsystem in Form einer Online-Plattform soll Bürger in der Region vernetzen und vertrauenswürdige, gegenseitige Hilfestellungen vereinfachen. Gemeinsam können in einer mittels Blockchain abgesicherten Plattform soziale Projekte sowie gemeinschaftsbildende Aktivitäten unterstützt werden. Im Gegensatz zu bereits etablierten Online-Plattformen steht hier das freiwillige Engagement in der Region im Fokus. Das aktive soziale Miteinander von Bürgern und Unternehmen soll gefördert und entwickelt werden. Langfristiges Ziel ist die Erhöhung der Attraktivität der Region Mittweida für Jung und Alt. In enger Kooperation zwischen der Fakultät Angewandte Computer- & Biowissenschaften und der Fakultät Sozialer Arbeit wird im Rahmen mehrerer Projektstudien das Nutzungsverhalten breiter Bevölkerungsschichten untersucht, um einen möglichst einfachen Zugang zur Plattform zu ermöglichen.

Zum 01.10.2020 startete unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Andreas Ittner das Vorhaben „Entwicklung eines Konzeptes und Prototypen für die Blockchain & Distributed Ledger Technologies Academy Mittweida“. Es soll im ersten Schritt ein Konzept und ein Prototyp für eine online verfügbare Lern- und Ressourcenplattform entwickelt werden, welches sich auf blockchainspezifische und ergänzende Inhalte konzentriert. Hierbei sollen mithilfe von Datamining bzw. maschinellem Lernen Erkenntnisse über zu erstellende Inhalte und Möglichkeiten der Modularisierung der Inhalte gewonnen werden. Dafür ist es notwendig, geeignete Testkurse zu erstellen und zu veröffentlichen. Ergänzend sollen Präsenzveranstaltungen genutzt werden, um gezielt Feedback der Teilnehmer einzuholen und neue Inhalte zu testen. Aus der dann entstandenen Lern- und Ressourcenplattform soll im zweiten Schritt ein Prototyp für eine Lern-DAO (Dezentrale Autonome Organisation) entstehen. Diese soll die Kursgenerierung, Wissensvermittlung und Lernfortschrittskontrolle auf die Blockchain bringen, und somit den Inhaltserstellungsprozess automatisieren, indem Dritte in der Lage sind, selbständig Kurse und Inhalte beizutragen.

Zum 01.11.2020 startete unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Andreas Ittner das Verbundprojekt „Electronic Certificate Hashing Technology (ECHT) - Teilvorhaben: Selbst Souveräne Dokumente und Verifiable Credentials“. Im Rahmen des Verbundprojekts soll ein blockchain-basiertes System geschaffen werden, welches es ermöglicht, Zeugnisse, Zertifikate, Urkunden und Ähnliches digital, dezentral, vertrauensvoll, fälschungssicher, DSGVO-konform, rechtsverbindlich und unkompliziert zu erstellen und abzuspeichern. Um die Vorgaben der Gesetzgeber zu erfüllen, sollen dabei qualifizierte elektronische Signaturen zum Einsatz kommen. In diesem Teilvorhaben werden zum einen die dazu notwendigen Prozesse und Anwendungen, die an der Hochschule Mittweida zum Einsatz kommen sollen (kurz: Zeugnis-Service HSMW), entworfen, umgesetzt und getestet. Zum anderen soll ein neuartiger Dokumententyp erforscht und implementiert werden, der es dem Dokumentinhaber ermöglicht, selbst zu entscheiden, welche Informationen des Dokuments er einem Dritten gegenüber offenlegt. Dabei sollen die offengelegten Teilinformationen genauso vertrauenswürdig und sicher sein, wie das Ursprungsdokument.

Zum 01.01.2021 startet unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Andreas Ittner vorbehaltlich der Bewilligung das Verbundprojekt „Industrial Safety Chain (InSafety) - Teilvorhaben: "dezentrales Backend für Video- u. Nachweisdaten“. Im Bereich der Arbeitssicherheit werden Fachwissen, Sicherheitsinformationen und Belehrungen sehr häufig durch Videos übermittelt. Das betrifft sowohl Aus- und Weiterzubildende, eigene und fremde Mitarbeiter, Leiharbeiter, aber auch Gäste. In diesem Kontext gibt es drei Aspekte, bei denen der Nachweis der Authentizität eine entscheidende Rolle spielt:

  1. Die Originalität des Videos muss nachweisbar sein.
  2. Die Identität des Betrachters muss nachgewiesen werden.
  3. Die Bestätigung des Betrachters, dass und wann er das Original-Video gesehen hat, muss fälschungssicher dokumentiert werden und dezentral nachprüfbar sein.

Der Wert dieser Nachweise im Fall eines Arbeitsunfalls ist sowohl für das Unternehmen/den Arbeitgeber, für Gäste und Mitarbeiter als auch für die Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften ganz erheblich. Es ist auch evident, dass die verschiedenen Akteure einander in der Schuldfrage nicht vertrauen. Dieses dezentrale Vertrauensproblem will das Konsortium mittels Blockchain-Technologie lösen. Seitens der Arbeitgeber besteht zudem die Intention, Bürokratie im Kontext mit Compliance zu reduzieren und die Fehlerquote bei den Berichtspflichten zu reduzieren, was eine sichere Dokumentenschnittstelle zur digitalen Personalakte erfordert. Hochschulen und Ämter müssen viele Mitarbeiter in Brandschutz und Arbeitssicherheit schulen, die Zuständigkeit und die Haftungsfrage sind aber häufig ungeklärt. Für diese ganz praktischen Probleme will das Konsortium eine nutzerfreundliche Lösung entwickeln. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Demonstrators für eine Industrial Safety Chain, der die oben beschriebenen Funktionalitäten abbildet, inklusive der Definition eines neuen sicheren Video-Standards.

Zum 01.01.2021 startet unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Ralf Hartig und Prof. Dr. rer. oec. Alexander Knauer vorbehaltlich der Bewilligung das Vorhaben „Mobility4All - Blockchain-basierte Mobilität weiterdenken in Mittweida“. Ziel ist es, eine dezentrale Plattform „Mobility 4ALL“ in der Region Mittweida zu entwickeln und damit blockchain-basierte Sharing-Mobility im ländlichen Raum zu etablieren. Nutzern soll langfristig ermöglicht werden, autonome Mobilitätsträger unkompliziert per App auszuleihen. Die operativen Kosten zum Betrieb von Sharing-Diensten sowie die Akzeptanz durch die Kunden sind kritische Faktoren für eine nachhaltige Etablierung solcher Angebote, insbesondere im ländlichen Raum. Die Blockchain- Technologie soll insbesondere diese Aspekte berücksichtigen und einen signifikanten Mehrwert gegenüber den bisher am Markt verfügbaren Mobilitätsplattformen bieten. Im Rahmen des Forschungsvorhabens werden drei Schwerpunkte im Bereich von Sharing-Economy fokussiert:

  1. Mobilitätsträger werden mit einer Blockchain-basierenden Digitalen Identität ausgestattet. Damit können die jeweiligen Fahrzeuge alle relevanten Prozesse selbstständig und dezentral auslösen bzw. regeln und sind so nicht mehr auf eine zentrale Server-Plattformen angewiesen. Diese Mobilitätsträger sind zukünftig in der Lage, in der Geschäftswelt autonom zu handeln.
  2. Dieser Ansatz ist durch Blockchain-basierte Digitale Identitäten für Nutzer zu erweitern. Jene vereinfacht Registrierungs- und Anmeldeprozesse wesentlich, indem die Digitale Identität für Single-Sign-On-Prozesse genutzt wird. Das bedeutet, dass Nutzer mit einer einzigen Identität die Dienste verschiedener (Mobilitäts-)Anbieter in Anspruch nehmen können.
  3. Die Rahmenbedingungen für erfolgreiches, blockchain-basiertes Mobilitäts-Sharing im ländlichen Raum sollen untersucht und konzipiert werden. Dabei soll eine hohe Auslastung von verfügbaren Ressourcen erreicht und über eine Einbindung von regionalen Partnern als Kilometer- bzw. Minuten-Sponsoren die Akzeptanz von Sharing-Angeboten gesteigert werden.

Als sechstes Projekt starten Prof. Dr. rer. nat. Marc Ritter und Christian Roschke vorbehaltlich der Bewilligung zum 01.01.2021 das Vorhaben „xBloks – Blockchain-basiertes e-Sports-Profiling“. Sportliche Großereignisse stellen einen festen Bestandteil unserer Gesellschaft dar und bieten enormes wirtschaftliche Potential. Je größer die Beliebtheit, desto kritischer ist jedoch auch das Potential für kriminelle Einflüsse wie Doping oder andere illegale Methoden der Leistungssteigerung. Durch die moderne technische Entwicklung verschiebt sich der Sport-Fokus zunehmend in den neuen Bereich des eSports. Ein starker Trend zeigt sich dafür besonders in Sportarten, die aus der realen Welt in den virtuellen Kontext portiert werden (Mannschaftssport wie Fußball oder vielfältige Motorsportarten). Dort besteht neben der rein sportlichen Motivation noch der entscheidende Vorteil einer deutlich niedrigeren finanziellen Einstiegshürde zur Ausübung des Sports. Während realer Motorsport aufgrund enormer Kosten kaum erschwinglich ist, kann im Virtuellen bereits mit wenig Budget eine erfolgreiche Beteiligung erfolgen. Als Zielgruppe des Projekts kommen vor allem mittelständische und große Unternehmen/Konzerne in Frage, die bereits mit dem Medium “Immersiver Simulator” im Produktiveinsatz vertraut sind (Automobil-, Flugzeug- oder Militärfahrzeughersteller). Viele dieser Hersteller entdecken derzeit den E-Sport als neue prestigeträchtige Werbefläche. Mit dem starken Aufschwung der Branche kommen aber auch die aus anderen Sportarten bekannten Herausforderungen hinsichtlich wirtschaftlicher Vermarktung und professionellem Veranstaltungsbetrieb auf die Akteure zu. Die Hürden für unrechtmäßige Manipulationen sind jedoch deutlich geringer als bei realen Sportveranstaltungen. Genau hier setzt das Projektvorhaben an. In enger Kooperation mit den Entwicklungen und Ergebnissen bereits laufender WIR!-Projekte sollen hier die Absicherungskonzepte zur Sicherstellung von Integrität und Authentizität in einer breiten Anwendungsplattform genutzt werden.

Weitere Informationen zur Blockchain Schaufester Region finden Sie hier und hier