Fokus Forschung: Vortrag zur 20. NWK: Wissenstransfer in kommunalen Bürgerbeteiligungen

Fokus Forschung: Vortrag zur 20. NWK: Wissenstransfer in kommunalen Bürgerbeteiligungen

Forschung, Nachwuchsforschung, Veranstaltungen, NWK

Christopher Brinkmann will Modell für die Gestaltung nachhaltiger Partizipationsprozesse in Gemeinden und Städten entwickeln

Referent zur 20. NWK: Christopher M. Brinkmann

Eine repräsentative Demokratie, wie in Deutschland, lebt von der Bürgerbeteiligung bei Wahlen. Das wurde nicht nur zuletzt bei der vergangenen Europawahl deutlich. Mit ihrer Stimmabgabe brachen die Bürgerinnen und Bürger auch auf Kreisebene und in den Stadträten bestehende Verhältnisse auf und bestimmten damit die Politik für die kommenden Jahre. Ihre Wahl legitimiert die politischen Vertreter nun allerdings selbständig und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und Entwicklungen zu bestimmen. Eine Bürgerbeteiligung außerhalb von Wahlen scheint vielerorts nicht gegeben.

Dabei zeigte sich in den vergangenen Jahren immer wieder, dass Bürgerinnen und Bürger mehr wollen als in regelmäßigen Abständen ihre Stimme für eine politische Partei und Richtung zu geben.  In den Protestbewegungen und Bürgerinitiativen der vergangenen Jahre wurde so deutlich, dass sich engagierte Menschen mit ihren Ideen und Meinungen auch außerhalb von formellen Verfahren in politische und gesellschaftliche Prozesse  einbringen können. Gerade die kommunale Ebene wirkt dabei als Ausgangspunkt für eine bürgerschaftliche Partizipation. Durch den räumlichen Bezug und die direkt vor Ort wirkenden Entscheidungen ist die Bindung zwischen politischen Vertretern und der Bürgerschaft auf kommunaler Ebene besonders eng. Die formellen Bürgerbeteiligungsprozesse (z.B. Wahlen, Bauleitplanungen oder das Petitionsrecht) werden hier zunehmend durch informelle Prozesse ergänzt. In Rahmen von Zukunftswerkstätten, World-Cafés oder Barcamps kommen Bürgerinnen und Bürger mit politischen Vertretern sowie Experten aus der Praxis ins Gespräch und bringen sich mit ihren Vorstellungen ein. Das Expertenwissen aus Politik und Verwaltung wird dabei durch das Erfahrungswissen aus der Bürgerschaft ergänzt, wiederlegt oder bestätigt. Durch eine kooperative Entscheidungsfindung sollen so zum Beispiel Stadtentwicklungsprojekte näher an der Bürgerschaft ausgerichtet sein und damit zu einer nachhaltigen Struktur im kommunalen Raum führen.

In der Forschung der vergangen Jahre sind die Möglichkeiten zur formellen und informellen Bürgerbeteiligung gut dokumentiert. Eine ausführliche Methodenliteratur erleichtert vermeintlich den Transfer in die Praxis. Doch gibt es hier auch immer wieder Probleme. Unterschiedliche Vorstellung oder Interessen bei den Akteuren von Bürgerbeteiligungsprozessen, mangelnde Kommunikation und ungenutzte Potentiale des kommunalen Raums erschweren die bürgerschaftliche Partizipation. Die meisten Verfahren bleiben damit einzelne, abgeschlossene und themenbezogene Vorhaben. Eine verstetigte Bürgerbeteiligung und Wissensaustausch zwischen den Akteuren findet damit nicht statt. Zwar werden in der bestehenden Literatur daher die Möglichkeiten und Ziele eines bürgerschaftlichen Beteiligungsprozesses benannt. Es fehlt aber bisher ein Erklärungsansatz zur Strukturierung des Wissenstransfers in Partizipationsprozessen auf kommunaler Ebene und zur Tradierung des Wissens für zukünftige Projekte.

Die Entwicklung eines solchen Modells steht im Fokus einer kooperativen Promotion an der Hochschule Mittweida und der Universität Bremen. In seiner Arbeit untersucht der Promovend Christopher Brinkmann wie die Digitalisierung Einfluss auf die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Eben nimmt, welche Kommunikationsstrukturen hier bestehen und wo Potentiale für einen Wissenstransfer zwischen den regionalen Akteuren aus Vereinsarbeit, politischer Ebene, Medien und Wirtschaft besteht.

Datengrundlage bilden qualitative, leitfadengestützte Interviews im Forschungsfeld um Mittweida. Die Erkenntnisse aus der Untersuchung sollen in einem weiteren Schritt auf theoretische Wissensmanagementkonzepte aus der Wirtschaft übertragen werden. Das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter gelten hier bereits seit Längerem als Ausgangspunkt von Innovationen und erhalten damit eine besondere Bedeutung. Mit gezielten Lernprozessen und einer Dokumentation wird in einem kompetenzorientierten Wissensmanagement das Wissen der Mitarbeiter ausgebaut, professionalisiert und nutzbar gemacht. Könnten entsprechende Prozesse auf die Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene übertragen werden, so entsteht die Perspektive von einer wissensorientierten Beteiligungskommune. In dieser koordiniert ein Partizipationsbeauftragter die Zusammenarbeit aller Akteure, findet ein crossmedial vernetzter Informationsaustausch statt und herrscht eine Beteiligungskultur an der Bürgerinnen und Bürger frei partizipieren können. Weiter stellen Communities, wie Vereine oder soziale Organisationen, wichtige Knotenpunkte dar. Zum einen kommunizieren sie Bedarfe ihrer Mitglieder in die Öffentlichkeit. Zum anderen tragen sie Informationen in ihre Netzwerke und helfen damit bei der Ausbildung spezifischen Wissens. Communities sind so auch Orte des Lernens. In ihnen professionalisieren die Mitglieder ihr Engagement und bilden zentrale Bürgerkompetenzen (z.B. Verständnis über politische Verfahren und Vorgänge oder Kompetenzen für öffentliche Verantwortungsübernahme) aus.

Die bisherigen Ergebnisse seiner Untersuchung wird Christopher Brinkmann im Rahmen eines Vortrages auf der 20. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz an der Hochschule Merseburg am 19. Juni vorstellen.

Das Promotionsprojekt wird aus Mitteln des ESF und des Freistaates Sachsen gefördert. Die wissenschaftliche Betreuung übernehmen Prof. Christian Pentzold von der Universität Bremen und Prof. Tamara Huhle von der Hochschule Mittweida.

Text: Christopher M. Brinkmann
Foto: Helmut Hammer