Fokus Forschung: Austausch mit Abstand

Fokus Forschung: Austausch mit Abstand

Forschung, Nachwuchsforschung, Veranstaltungen

12. MiWoCi fand hybrid statt – über 50 Teilnehmende diskutierten online

Prof. Thomas Villmann beim Vortrag im „Gartenseminar“
Prof. Thomas Villmann beim Vortrag im „Gartenseminar“

In der Zeit vom 1. bis zum 3. Juli fanden sich Nachwuchswissen-schaftler*innen und Experten zum nun schon zwölften Mittweidaer Workshop in Computational Intelligence (MiWoCI) zusammen. Es wurde sich über die neusten Entwicklungen und Forschungsergebnisse im Bereich des Maschinellen Lernens ausgetauscht. Dabei bildeten sogenannte interpretierbare KI-Algorithmen und Methoden den Schwerpunkt, die dem Anwender einerseits eine Integration von Expertenwissen ermöglichen und andererseits auch eine dem Nutzer verständliche Auswertung ermöglichen (im Gegensatz zu vielen Black-Box-verfahren der KI).

Der diesjährige Workshop, der wieder von Prof. Thomas Villmann und Dr. Marika Kaden vom SICIM (Sächsischen Institut für Computational Intelligence und Machine Learning der HS Mittweida) gemeinsam mit Prof. Frank-Michael Schleif von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt organisiert wurde, stand naturgemäß ganz unter dem Eindruck und den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie: Er wurde als ‚ZOOMposium‘ über alle drei Tage online durchgeführt – mit regulären Vortrags-Sessions aber auch Diskussionsrunden. Über fünfzig Teilnehmer zeugten von einem großen Interesse an der Thematik und dem Bedarf zum wissenschaftlichen Diskurs. Dabei war das Teilnehmerfeld, wie jedes Jahr, international zusammengesetzt. Am weitesten entfernt war ein Vortragender aus Australien (Universität Sydney).

Die Beiträge in diesem Jahr umfassten zum einen Algorithmen und Verfahren zur Datenvisualisierung und entsprechende Anwendungsgebiete. Hier wurde z.B. durch Dr. Alexander Schulz (Citec, Universität Bielefeld) ein neuartiges Verfahren zur Visualisierung von Klassifikationsergebnissen vorgestellt, welches dem Anwender ermöglicht, sowohl Beispiele für grenzwertige Klassifikation aber auch klassentypische Beispiele leicht zu visualisieren (A. Schulz: DeepView: A Toolbox for Visualizing Classifiers). Das Verfahren könnte z.B. in der Medizin für die diagnostische Unterstützung bei typischen und a-typischen Krankheitsbildern eingesetzt werden. Im Bereich Datenfusionierung in technischen Systemen berichtete Frau Feryel Zoghlami (Infineon und HS Mittweida) über Anwendungen in der Radar-Time-of-Flight-Messtechnik zur Personendetektion.

Zum anderen bildeten Anwendungen und Methoden des maschinellen Lernens in medizinischen und bioinformatischen Anwendungen einen nun schon bewährten Schwerpunkt des Workshops. Prof. Michael Biehl von der Universität Groningen berichtete über die Detektion von Tumorerkrankungen anhand von ribosomalen Proteinen. Benjamin Paaßen von der Universität Sydney stellte ein Verfahren zum automatischen Erlernen rekursiver Strukturen vor, wie sie z.B. in der genomischen Sequenzanalyse aber auch in der informatischen Programmierung auftreten. Die Analyse von Bildern im NeuroImaging präsentierte Rick van Veen, ebenfalls von der Universität Groningen. In diesem bioinformatischen Themenschwerpunkt war auch die Nachwuchsforschergruppe MaleKITA (Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz in technischen Anwendungen) vom SICIM mit mehreren Beiträgen vertreten. Frau Dr. Marika Kaden stellte die KI-gestützte Untersuchung von Covid-19-RNA-Daten vor, Frau Katrin Bohnsack referierte über die Erkennung von sRNA-Viren und Frau Julia Abel präsentierte Ergebnisse zur Erkennung von L- bzw. D-enantiomerischer Formation von Proteinen (Chiralität von Proteinstrukturen).    

Traditionell sind auch mathematisch-theoretische Frage- und Problemstellung der KI-Forschung Gegenstand des wissenschaftlichen Austausches. Dieses Jahr standen dabei Probleme KI-gestützter Datenanalyse bei sich ändernden Datenlagen (Konzeptdrift) im Fokus (M. Heusinger – HS Würzburg und M. Straat – Universität Groningen). Methoden der statistischen Physik zur Evaluierung und Analyse des Lernverhaltens schneller Lernalgorithmen wurden durch Elisa Oostwald, ebenfalls aus Groningen, vorgestellt. Alexander Engelsberger betrachtete geometrisch-algebraische Strukturen im maschinellen Lernen für allgemeine Datenstrukturen. Prof. Thomas Villmann präsentierte einen an der Hochschule Mittweida neu initiierten Forschungsfokus im maschinellen Lernen – die Verquickung von KI mit Methoden des Quantum Computings. Von diesen Verfahren verspricht man sich in Zukunft gewaltige Fortschritte hinsichtlich der Rechengeschwindigkeit durch die der Quantenmechanik innewohnenden Parallelität (Verschränkung von Quantenbits).   

Die online-Veranstaltungen waren stets gut besucht und auch die Diskussionen wurden, wenn auch unter technischen Herausforderungen, intensiv genutzt. Hier wurden insbesondere auch allgemeine Erfahrungen in der online-Lehre und -Forschung diskutiert. In einen eigens für die Veranstaltung installierten Discord-Server konnte auch in den Kaffeepausen weiter sich ausgetauscht, informiert oder bei technischen Problemen schnell Hilfe bereitgestellt werden.

Am letzten Veranstaltungstag wurde dann die Tagung sogar zum Hybrid-Event: Ein ‚Gartenseminar‘ mit Teilnehmer-Präsenz (unter Wahrung der Abstandsregeln) im Garten von Frau Dr. Marika Kaden wurde mit der Online-Zoom-Veranstaltung kombiniert. Diese Gartenseminare wurden im Frühjahr 2020 ins Leben gerufen, um auch in Corona-Zeiten Forschungsseminare am SICIM durchführen zu können. Mit viel Improvisation und Engagement wurde auch dieser letzte Tagungstag zum Erfolg für alle Teilnehmer. Natürlich freuen sich alle auf eine Neuauflage des MiWoCI im nächsten Jahr – hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung. Ganz sicher jedoch ist, dass die online-Erfahrungen von diesem Jahr einfließen werden. So sollen die Vorträge und Diskussionen auch im nächsten Jahr online zu verfolgen sein.

Text: Prof. Thomas Villmann, Dr. Marika Kaden
Fotos: privat