Fokus Forschung: Oberschwingungen belasten moderne Stromzähler weit mehr als bisher gedacht

Fokus Forschung: Oberschwingungen belasten moderne Stromzähler weit mehr als bisher gedacht

Forschung, Forschungsprojekte

Es werden nicht nur immer mehr elektrische Geräte in Haushalt und Industrie eingesetzt, die unbeabsichtigt Oberschwingungen in das Stromnetz transportieren, sie haben auch einen unerwarteten negativen Einfluss auf einige moderne digitale Messeinrichtungen neuester Generation.

Schnell ist die Empfehlung ausgesprochen im Zuge der Verbesserung der Energieeffizienz Leuchtstoffröhren in einer Werkhalle durch LEDs auszutauschen. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn manche auf dem Markt erhältlichen LED Leuchtmittel verursachen so große Oberschwingungen, dass sie den eigenen Stromzähler beeinflussen und das Stromnetz belasten können. Das ist nur ein Beispiel von den Erkenntnissen, die Pierre Jaques, Forschungsmitarbeiter vom Institut für Energiemanagement an der Hochschule Mittweida (ifem), während einer Untersuchung zur Netzqualität für den Netzbetreiber MITNETZ Strom gewonnen hat. Während der Anfertigung seiner Messreihe bemerkte er, dass es bei einigen modernen digitalen Messeinrichtungen bei einer Belastung mit Oberschwingungen zu Messabweichungen oder sogar zum totalen Versagen der Zählerelektronik kommen kann. Zudem können Oberschwingungen aber auch zur mechanischen Überlastung von Kabeln und anderen elektrischen Betriebsmitteln und damit zu übermäßigem Verschleiß führen. Bisher wurde diesem Phänomen nur wenig Beachtung geschenkt.

Oberschwingungen sind ein bekanntes, aber kaum erforschtes Gebiet in der Bestimmung der Netzqualität. Alle Geräte, die dem Netz einen nichtsinusförmigen Strom entnehmen, verursachen eine Verzerrung der Netzspannung und somit oft als Nebenprodukt Oberschwingungen. Verursacher sind zum Beispiel Lichtdimmer, Netzteile von Fernsehgeräten, Computern, Druckern und nicht zuletzt die bereits genannten LED Leuchtmittel. Dass das Auftreten von Oberschwingungen kein theoretisches Konstrukt, sondern ein messbares Phänomen ist, beweist Pierre Jaques mit seinem Modell. Damit hat er Verbraucher nichtsinusförmigen Stroms einzeln ansteuer- und messbar gemacht. Das Modell beweist zudem die Fehleranfälligkeit bestimmter Messtechnik durch die Messung des Stromflusses an zwei Stellen. Einige der Messgeräte können die Belastung mit Oberschwingungen nicht verkraften, weshalb falsche Messwerte auf dem Display erscheinen. Das vom ifem angefertigte Oberschwingungsmodell wird nun in der Lehre eingesetzt und ermöglicht den Studierenden ein besseres Verständnis der Problemstellung.

Seine Forschungsergebnisse hat Pierre Jaques bereits mehrmals auf wissenschaftlichen Konferenzen und Messen vorgestellt und ist dabei auf offene Ohren gestoßen. Neben dem 10. Mittweidaer EVM Tag hat er seine Ergebnisse auch auf der „4. Konferenz Zukünftige Netze für Erneuerbare Energien“ von OTTI und zur EGM Fachtagung „Energie Umwelt Zukunft“ präsentiert. Er hat das Thema zudem als Beitrag für die 18. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz eingereicht, die im Mai an der Hochschule Mittweida stattfinden wird.

Das Thema Oberschwingungen ist aufgrund seiner Tragweite ein bedeutendes Forschungsthema der Zukunft. Bisher können noch keine genauen Netzberechnungen unter der Einbeziehung von Oberschwingungen vorgenommen werden, da noch keine flächendeckenden validen Messdaten vorliegen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch nicht alle Effekte auf die Netzqualität vorhersagbar. Bereits grob abzusehen sind jedoch folgende Effekte: Oberschwingungen beanspruchen das Netz durch erhöhte Spannungen und Ströme, vermindern den Wirkungsgrad, führen zu einer thermischen Überbeanspruchung, Fehlfunktionen von Schutz- und Messeinrichtungen sowie einer Signaldämpfung und –verzerrung.

Weiterführende Informationen zum Institut für Energiemanagement an der Hochschule Mittweida (ifem)

Text: Kerstin Strangfeld