Fokus Forschung: Mittweidaer Erkenntnisse zum gefährlichsten Virus der Welt

Fokus Forschung: Mittweidaer Erkenntnisse zum gefährlichsten Virus der Welt

Forschung, Veröffentlichungen

Professor Kristan Schneider berechnet Inkubationszeit des Marburgvirus neu und schafft eine wichtige Erkenntnis zur Eindämmung des Virus

Das Marburgvirus ist das gefährlichste Virus, das die Menschen befallen kann. Es löst beim Menschen das tödliche Marburg Fieber aus. Das Virus ist nach der mittelhessischen Stadt benannt, wo es 1967 zum ersten Mal entdeckt wurde. Damals infizierten sich Labormitarbeiter:innen in einer pharmazeutischen Fabrik als sie mit infizierten Affenorganen arbeiteten. Affen sind wie Menschen nur Zwischenwirte und erkranken an dem Virus. Die primären Wirte sind vermutlich Flughunde, allerdings sind die genauen Reservoirs nicht geklärt.

Wie das bekanntere Ebola-Virus gehört das Marburg-Virus zur Familie der Filoviren. Das Marburgvirus infiziert eine Vielzahl an Körperzellen, unter anderem auch Leberzellen und Gewebe in den Nieren. Dabei kommt es zu einem hämorrhagischen Fieber, also ein Fieber mit starken inneren Blutungen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt über Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten wie Blut oder Urin. Auch die Möglichkeit der spermatogenen Übertragung, also durch Sperma, wurde dokumentiert.

Bisher gibt es weder eine zugelassene Behandlung noch eine Schutzimpfung gegen das Virus. Die Behandlung erfolgt ausschließlich unterstützend etwa durch intensivmedizinische Behandlungen und Transfusionen. Die Sterblichkeit liegt je nach Variante zwischen 23% und 90%.

Zuletzt kam es dieses Jahr zu einem kleinen Ausbruch in Ghana. Professor Kristan Schneider weilte zu diesem Zeitpunkt in Ghana, um die Hochschulpartner an der Universität Ghana und das West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL), mit dem die Hochschule im Juni einen Partnerschaftsvertrag unterzeichnete, zu besuchen.

Professor Schneider ist Inhaber der Professur für Modellbildung und Simulation und forscht an Infektionskranken wie Malaria, COVID-19, Affenpocken und Ebola.

Er machte eine interessante Entdeckung – die Inkubationszeit des Marburgvirus wurde bisher unterschätzt. „Das Marburgvirus ist ein Erreger der höchsten Sicherheitsstufe. Es gehört zur Standardpraxis, dass Kontaktpersonen von Infizierten in Quarantäne geschickt werden und mögliche zoonotische Reservoirs, oftmals alte Mienen in denen Flughunde leben, geschlossen werden. Um mögliche zoonotische Reservoirs aufzuspüren ist es wichtig die Inkubationszeit genau zu kennen, also die Zeitspanne von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit“, so Professor Schneider.

Weshalb das so wichtig ist, erklärt Prof. Schneider wie folgt: „Ist die Inkubationszeit diese zu kurz bemessen, sucht man womöglich am falschen Ort nach zoonotischen Reservoirs und Kontaktpersonen werden möglicherweise zu kurz in Quarantäne geschickt. Genau das passierte in Ghana. Bei einem so gefährlichen Erreger wie dem Marburgvirus kann das katastrophale Auswirkungen haben“. Bisher ging die WHO von einer maximalen Inkubationszeit von 21 Tagen aus. Diese ist jedoch anscheinend zu kurz. Professor Schneider studierte dutzende historische klinische Berichte zum Marburgfieber und berechnete die Inkubationszeit neu. „Die Inkubationszeit hängt vom Übertragungsweg ab. Erfolgt die Übertragung über Blutkontakte, etwa durch Schnittwunden, ist die Inkubationszeit deutlich kürzer. Historisch erfolgten viele Infektionen über diesen Weg, was dazu führte, dass die Inkubationszeit immer unterschätzt wurde. Von dieser falschen Annahme ging man auch bei späteren Berechnungen immer wieder aus“, erläutert er.

Professor Schneider setzte sich mit Kollegen der Universität Ghana, dem Noguchi Memorial Institute for Medical Research, das in Ghana für die Diagnostik von gefährlichen Krankheitserregern zuständig ist, dem Ghana Health Service, und der Universität Tübingen in Verbindung und veröffentlichte die Resultate in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases.

Der Artikel kann unter folgendem Link (PDF-Lancet Artikel) nachgelesen werden.

Text: Prof. Kristan Schneider, Annett Kober