Fokus Forschung: Mittweidaer Workshop for Computational Intelligence (MiWoCI)

Fokus Forschung: Mittweidaer Workshop for Computational Intelligence (MiWoCI)

Forschung

Ende August (22.-24.8.) war das Sächsische Institut für Computational Intelligence and Machine Learning (SICIM) der Hochschule Mittweida und das Institut für Computational Intelligence und intelligente Datenanalyse e. V. wieder Ausrichter des nunmehr vierzehnten internationalen Mittweidaer Workshop for Computational Intelligence (MiWoCI).

Die diesjährige Tagung, die wieder von Prof. Thomas Villmann und Dr. Marika Kaden vom SICIM gemeinsam mit Prof. Sven Hellbach von der Westsächsischen Hochschule Zwickau organisiert wurde, fand in nun schon bewährter Tradition als hybride Präsenz-Online-Veranstaltung statt. Fast 50 Nachwuchswissenschaftler:innen und Expert:innen trafen sich in der Hochschule bzw. waren online zugeschaltet, um aktuelle Entwicklungen der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens zu beraten. Der Workshop in seiner Tradition ist durch kurze, impulsgebende Vorträge der Teilnehmenden mit anschließender ausführlicher Diskussion gekennzeichnet. Dieses Format ist insbesondere für die Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen attraktiv, da hier die Möglichkeit von instituts- und hochschulübergreifender Zusammenarbeit gefördert wird. Die inhaltliche Ausrichtung des Workshops war wieder dem Schwerpunkt sogenannter interpretierbarer KI-Algorithmen und Methoden gewidmet, da diese dem Anwender einerseits eine Integration von Expertenwissen in die KI-Modelle ermöglichen und andererseits auch eine dem Nutzer verständliche Auswertung bieten (im Gegensatz zu vielen Black-Box-verfahren der KI). Damit entsprach die Fokussierung des Workshops sowohl der KI-Strategie des Freistaates Sachsen als auch der der Hochschule Mittweida.

Der Workshop umfasste dabei sowohl Arbeiten zur theoretischen Grundlagenforschung auf dem Gebiet der KI und des Quantencomputings als auch Beiträge über spannende Anwendungen, wobei die Anwendungsbereiche von der Bioinformatik, der Astrophysik und dem autonomen Fahren bis zur Bildungsforschung reichten.

Prof. Biehl von der Universität Groningen wies in seinem Vortrag nach, dass scheinbar neue Phänomene beim maschinellen Lernen komplexer künstlicher neuronaler Netze auf altbekannte und gut verstandene der klassischen numerischen Mathematik zurückgeführt werden können und betonte dabei, dass die mathematischen Grundlagen in der KI-Forschung trotz fortschreitender Automatisierung solcher Tools nicht vernachlässigt werden dürfen. Die mathematische Fundierung der Algorithmen und Modelle ist die Grundlage für Vertrauenswürdigkeit, Interpretierbarkeit und Akzeptanz von KI-Modellen. In diesem Sinne diskutierten Dr. Benjamin Paaßen vom deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Berlin zusammen mit Daniel Staps vom SICIM und Prof. Villmann neue Modellansätze des Repräsentationslernens in Fortführung von gemeinsamen Überlegungen aus dem Vorjahr. Fabian Hinderer von der Universität Bielefeld stellte ein Modell zum verteilten Lernen in KI-Modellen unter den Bedingungen der Datensicherheit vor und Elisa Oostwal sowie Frederieke Richert (beide Universität Groningen) berichteten über den Einsatz von Methoden der statistischen Physik zur Evaluierung von Lerndynamiken in künstlichen neuronalen Netzen. Dr. Sascha Saralajew, der ein Absolvent unserer Hochschule ist und jetzt bei den NEC Laboratories Europe in Heidelberg arbeitet, präsentierte mathematische Abschätzung zur Entscheidungssicherheit bei bestimmten KI-Systemen, so dass Anwender entsprechende Robustheitsgarantien für die Korrektheit von Modellentscheidungen erhalten. Das ist z.B. bei medizinischen Anwendungen von besonderem Interesse bei denen Fehlentscheidungen (Fehldiagnosen) gravierende Konsequenzen haben können.

In der Anwendungsforschung standen einerseits bioinformatische Themenstellungen im Fokus. Katrin Sophie Bohnsack von der Nachwuchsforschergruppe Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz in Theorie and Anwendung (MaLeKITA) am SICIM berichtet über eine effiziente Kodierung von biochemischen Molekülstrukturen (Strukturformeln/Graphdarstellung), um diese für Algorithmen des maschinellen Lernens zugänglich zu machen. Entsprechende Anwendungen sind z.B. in der Pharma-Forschung zur Medikamentenentwicklung, bei denen oft riesige Molekül-Datenbanken nach bestimmten Kriterien sortiert werden müssen, die sich aus den Moleküleigenschaften ergeben. Auf diesem Gebiet arbeitet das SICIM mit dem StartUp-Unternehmen PharmAI in Dresden zusammen, welches maßgeblich von ehemaligen Mittweidaer Bioinformatik-Studierenden getragen wird. Eine weitere auf dem Workshop vorgestellte bioinformatische Anwendung ist die KI-gestützte Inhaltsanalyse von Futterstoffen in der Landwirtschaft.

Dr. Benjamin Paaßen stellte in einem weiteren Beitrag ein Verfahren zur KI-gestützten Analyse von Fragebögen bzw. Seminar-/Prüfungsaufgaben vor, welches die interne Konsistenz und Variabilität anhand der eingegangenen Antworten bewerten soll. Der Lehrpreisträger unserer Hochschule Dr. David Nebel war sich mit Prof. Villmann sofort einig, dass dieses Verfahren im SICIM für die Hochschule Mittweida adaptiert und im Einsatz getestet werden sollte. Ein entsprechender Projektvorschlag sollte zeitnah ausgearbeitet werden.

Neben den wissenschaftlichen Vorträgen war viel Zeit für Diskussionen und gemeinsames Arbeiten durch die Veranstalter vorgesehen. Diese wurde intensiv genutzt, so dass im Nachgang bereits erste neue Erkenntnisse in gemeinsame Projekte bzw. Thesenpapieren mündeten. Aber auch die traditionellen und legendären Begleitveranstaltungen des MiWoCI wie Kanufahren und Grillfloßparty auf der Kriebstein-Talsperre fanden wieder großen Anklang und tragen zu einer offenen und freundschaftlichen Atmosphäre des MiWoCI bei. Bei einem geführten Stadtrundgang durch Herrn Kreskowsy vom Museum ‚Alte Pfarrhäuser Mittweida‘ wurde den Workshop-Teilnehmenden die Geschichte Mittweidas auf erheiternde Art nahe gebracht.

Mit dem Ausblick auf den Jubiläums-Workshop im nächsten Jahr schloss die Veranstaltung. Die nächsten Konferenzen, bei denen Ergebnisse des SICIM vorgestellt werden sind die German Conference on Bioinformatics in Halle/Saale (GCB, 6.-8. September, Link zu https://gcb2022.de/) und das European Symposium on Artificial Neural Networks and Machine Learning (ESANN, 5.-7. Oktober, Brügge/Belgien).

Text: Prof. Thomas Villmann
Fotos:  Hochschule Mittweida