Mendels Kreuzungsversuche lassen sich im Schulunterricht im Experiment durchführen – gut, es dauert ein bisschen. Ebenso die Vererbung von Merkmalen bei Fruchtfliegen – die vermehren sich schneller, wie wir alle wissen. Es braucht allerdings engagierte Lehrkräfte, denn ein Experiment mit Schülern und Schülerinnen ist immer eine Herausforderung – zumal nicht alle Biologie aus Liebe wählen. Besonders engagierte Lehrer und Lehrinnen wollen aber das Feuer der Freude am Experiment an ihre Schüler und Schülerinnen weitertragen. So hat sich vor einigen Jahren das Lehrernetzwerk WUN (Wissenschaft im UNterricht, Abbildung 1) an Professor Röbbe Wünschiers von der Fakultät CB gewandt, weil sie in einem Vortrag von ihm von der „Leichtigkeit“ der modernen DNA-Sequenzierung erfuhren. „Ganz ehrlich, können wir das in der Schule durchführen?“ war die Frage von Dr. Jürgen Braun, Gymnasiallehrer und Leiter des Netzwerkes. „Klaro“ war die entschiedene Antwort, die allerdings einige Aspekte unterschätzte.
Fokus Forschung: Aus dem Labor ins Klassenzimmer
Fokus Forschung: Aus dem Labor ins Klassenzimmer
Entwicklung einer praktischen Unterrichtseinheit zu CRISPR/Cas9 und DNA-Sequenzierung für Schulen
Das Ziel des Experiments war schnell formuliert: In vitro Synthese einer guide-RNA die, gemischt mit Cas9 Protein, ein zirkuläres DNA-Molekül (ein Plasmid) aufschneidet und so linearisiert. Mit der Sequenzierung des linearisierten Moleküls kann dann die Schnittstelle exakt bestimmt werden (Abbildung 2). Der Fachmann staunt, der Experte wundert sich: „Das ist keine Rocket Science und wir schießen mit Wasserbomben auf Fliegen, aber es ist trotzdem ein lehrreiches Experiment, das an einem Tag abgeschlossen und leicht angepasst werden kann.“ sagt Professor Wünschiers und weiter: „Das Hauptziel ist natürlich die Anwendung und Vertiefung von Curricula-Inhalten und deren Projektion auf modernste Wissenschaft. Immerhin sind sowohl die DNA-Sequenzierung als auch die Genschere CRISPR/Cas9 Stand der Wissenschaft.“ Gemeinsam mit seinem damaligen Doktoranden Robert Leidenfrost und dem Lehrernetzwerk ging es an die Entwicklung.
Von Beginn an war klar, dass der Versuch im Rahmen eines Schullabors zu realisieren war. Geschnitten wird isolierte DNA. Damit ist das Experiment rechtlich keine Gentechnik und somit an allen Schulen durchführbar. „Die größte Herausforderung war zunächst die Vermeidung teurer Grundausstattung“ beschreibt Professor Wünschiers die Entwicklung des Versuchs. „Jeder Lehrer kann beim Fond der Chemischen Industrie 2.500 Euro für Unterrichtsförderung beantragen“ sagt Professor Wünschiers und weiter: „Die kennen unseren Versuch und fördern ihn und das Geld reicht für die Anschaffung des Sequenzierapparats und der Verbrauchsmaterialien.“
Der erste Einsatz des Versuchs fand bei Lehrerweiterbildung in Bruchsal, Esslingen, Ulm und Villingen-Schwenningen statt (Abbildungen 3 und 4). „Hier zeigte sich eine zweite Hürde: Die bioinformatische Auswertung der Daten.“ beschreibt Professor Wünschiers seine Erfahrungen. Und so wurde aus dem Projektchen ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt: Wie können die vielen bioinformatischen Schritte der Datenanalyse so aufbereitet werden, dass die Lehrkräfte möglichst wenig am eigenen Computer installieren und frickeln müssen? Die Lösung war, die Software auf einem Computer in Mittweida laufen zu lassen und über eine Webseite die Dateneingabe und -ausgabe zu realisieren. So ist nach einiger Entwicklungszeit die Webseite DNAlesen (https://dnalesen.hs-mittweida.de) entstanden, die nach dem Hochladen der Rohdaten die gesamte Analyse und Visualisierung übernimmt (Abbildung 5).
„Jetzt ist der Versuch chefarztsicher“, wie der Leiter des baden-württembergischen Netzwerkes, Dr. Jürgen Braun, sagt. Der gesamte Versuchsablauf samt didaktischer Einordnung wurde im Mai 2024 vom Journal of Microbiology and Biology Education angenommen und ist dank Unterstützung der Hochschule unter folgendem Link frei zugänglich: doi.org/10.1128/jmbe.00187-23. Das Experiment wurde auch im europäischen Ausland, u.a. in Athen, Istanbul und Vilnius bereits erfolgreich von Lehrerinnen eingesetzt. Zudem besteht die Kooperation fort. So wurde in diesem Jahr ein Schülerversuch entwickelt, um Bakterien in Gemischen individuell durch DNA-Sequenzierung zu identifizieren.
Text und Abbildungen: Röbbe Wünschiers.