Fokus Forschung: Grundlagenforschung an einer HAW - geht das?
Fokus Forschung: Grundlagenforschung an einer HAW - geht das?
Forschung,
Forschungsprojekte
Das Laserinstitut Hochschule Mittweida kombiniert Grundlagenforschung und angewandte Forschung und wirbt erfolgreich Drittmittel ein.
Erfolgreich und engagiert: Die Forschungsgruppe DUSL am LHM mit Dr. Theo Pflug, Dr. Andy Engel, Prof. Alexander Horn, Markus Olbrich und Phillip Börner (v.l.)
Der Name sagt es schon: HAW – Hochschule für angewandte Wissenschaften. Wissenschaftliche Erkenntnisse anwendungsorientiert applizieren – das ist der Kernbaustein der angewandten Forschung. Doch was ist, wenn man doch tiefer graben, also einen Prozess grundlegend verstehen muss, um ein praktisches Problem lösen zu können?
Am Laserinstitut Hochschule Mittweida (LHM) wird beides gemacht. So wird sowohl mit der Industrie als auch mit anderen Forschungsinstituten an Fragen, die die Anwender:innen bewegen, geforscht. Manchmal jedoch werden auch in der Praxis Fragen gestellt, die grundlegendere Untersuchungen erfordern.
Die Forschungsgruppe „Dynamik ultraschneller selektiver Laserprozesse“, kurz DUSL, unter der Leitung von Professor Alexander Horn am LHM hat es sich zur Aufgabe gemacht, Vorgänge, die bei der Wechselwirkung von Laserstrahlung mit Materie stattfinden, zu untersuchen. Seit über zehn Jahren werden sehr schnelle Vorgänge in laserangeregten Festköpern analysiert und beobachtet, auf Zeitskalen vom Femtosekunden-Bereich, also dem millionsten Teil einer milliardstel Sekunde, bis hin zu Zeitskalen im Millisekunden-Bereich. Es können also Prozesse über neun zeitliche Größenordnungen untersucht werden.
Spektral im Wellenlängenbereich von 400 -750 nm integriert gemessene optische Emission eines Plasmas nach Abtrag von Kupfer mit einem ultrakurzen Laserpuls. Links räumliche Ausdehnung 20 ns nach der Anregung und rechts zeitliche Entwicklung des Plasmas entlang entlang des Zentrums der Wechselwirkung bei x = 0.x = 0.
Wenn Laserstrahlung ein Metall „erwärmt“, dann finden viele komplexe Vorgänge, zum Teil hintereinander, zum Teil auch gleichzeitig, statt. In der vergangenen Dekade wurden von der Forschungsgruppe spezielle Messtechniken zur Analyse dieser Vorgänge entwickelt. Hiermit können beispielsweise die Einkopplung der Laserstrahlung in den Werkstoff und dessen nachfolgende Reaktionen, wie das Aufheizen, die Ausdehnung, das Schmelzen und das Abtragen von Material wellenlängen-, zeit- und ortsaufgelöst beobachtet werden. Die Messtechnik erlaubt somit das „Filmen“ der Wechselwirkung der Laserstrahlung mit dem Material theoretisch mit mehr als 1013 FPS, also 10 TFPS. (Die Abkürzung FPS steht für „Frames per second“, also Bilder pro Sekunde.) Um die Messergebnisse zu verstehen, wird aber eine Modellierung benötigt. Diese ermöglicht die mikroskopische Abbildung der bei der Wechselwirkung von Laserstrahlung mit Materie stattfindenden physikalischen Prozesse und die Berechnung der damit zu erwartenden Messwerte. Durch den Vergleich von theoretischen Berechnungsergebnissen und experimentell bestimmten Messwerten kann dann schlussendlich die Wechselwirkung von Laserstrahlung mit Materie physikalisch interpretiert und verstanden werden.
Phasenänderung (linke Bildhälfte) und Reflexionsgradänderung (rechte Bildhälfte) an der Oberfläche einer Goldschicht zu zwei Zeitpunkten nach Bestrahlung mit einem ultrakurzen Laserpuls.
Mittels Hydrodynamik simulierte räumliche Verteilung der Dichte.
In den vergangenen Jahren wurden dazu zahlreiche Ergebnisse als Publikationen in renommierten Journals, wie z. B. Advanced Functional Material, Physical Review B, The Journal of Physical Chemistry C, Optical Materials Express und Scientific Reports veröffentlicht.
Funktionieren kann das alles nur mit Kolleginnen und Kollegen, die begeistert forschen und sich für wissenschaftliche Fragestellungen engagieren.
Phillip Börner, der zurzeit an seiner Bachelorarbeit schreibt, sagt dazu: „Durch die nette und aufgeschlossene Art von Professor Horn wurde ich auch während meiner Zeit als studentische Hilfskraft vollständig integriert, wodurch ich Teil einer tollen Forschergruppe wurde. Inzwischen schreibe ich meine Bachelorarbeit und freue mich über die direkte Betreuung und die zahlreichen Möglichkeiten, mich weiterzuentwickeln.“
Markus Olbrich, Doktorand am LHM, ergänzt: „Durch die komplexe und umfangreiche Forschung stoßen wir ständig auf neue Fragestellungen, wodurch es nie langweilig wird und man einfach nur immer weiter machen möchte. Im Bereich der Theorie und Programmierung kann ich meine Stärken voll ausspielen und kann mir keine andere Tätigkeit vorstellen.“
Dr. Andy Engel ist schon länger Mitglied des Forschungsteams des LHM und sagt: „In meiner zurückliegenden Forschungstätigkeit an der Hochschule Mittweida sowie dem Laserinstitut beschäftigte ich mich intensiv mit der Wechselwirkung von ultrakurz gepulster Laserstrahlung mit verschiedenen Festkörperoberflächen. Die Analyse der bestrahlten Oberflächenbereiche erlaubte nachfolgend die Beschreibung der Laser-Materie-Wechselwirkung sowie die darauf zurückzuführende Topologie der Interaktionsbereiche und etwaige Materialänderungen. Kurz um – das `Was passiert?´ konnte ich beantworten. Mit der Arbeit in der Gruppe von Professor Horn kann ich mein Wissen um das Prozessverständnis erweitern. Die neue Forschungsfrage lautet – ´Wann passiert was?´. Innerhalb der Forschungsgruppe kann dieser Frage mittels orts- und zeitaufgelöster Pump-Probe-Technik nachgegangen werden. Untersetzt durch Modellbildung und Simulationsrechnungen, welche mittels weiterer Experimente validiert werden, ist eine umfassende Beschreibung der Laser-Materie-Wechselwirkung verbunden mit einem besseren Prozessverständnis möglich. Ich freue mich auf weitere spannende Forschungsfragen.“
Dr. Theo Pflug bei der Arbeit im Labor. Draufsicht auf den optischen Tisch mit eingeschaltetem Laser.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG und deren Community hat die Kompetenz am LHM in diesem Bereich erkannt und fördert diese nun seit einigen Jahren.
Das „Projekt-Quartett“ setzt sich aus den folgenden Forschungsvorhaben zusammen:
MULTIPULS
In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Professor Steffen Weißmantel wurde die Wechselwirkung schneller Pulsfolgen ultrakurz gepulster Laserstrahlung im GHz- bis MHz-Bereich mit Metallen untersucht. Das Vorhaben konnte im Juni 2024 erfolgreich abgeschlossen werden. Ein Verlängerungsantrag wurde eingereicht und befindet sich aktuell in der Begutachtung.
Im Projekt wurde die Wechselwirkung von schnellen Pulsfolgen mit Metallen in Abhängigkeit von der Anzahl an Pulsen in der Pulsfolge sowie deren zeitliche Abstand untersucht. Dabei konnten insbesondere die Wechselwirkung der Folgepulse mit der durch die vorherigen Pulse erzeugten Ablationswolke und die daraus folgende Wechselwirkung der zusätzlich geheizten Ablationswolke mit dem noch nicht abgetragen Material als entscheidende Prozesse für die Entstehung der Ablationsstrukturen identifiziert und beschrieben werden.
KRISTALLINITÄT
Gemeinsam mit Professor David Rafaja (TU Bergakademie Freiberg) und Professor Stefan Sandfeld (RWTH Aachen, FZ Jülich) wird die Veränderung der Mikrostruktur (vorranging die Größe, Form und Orientierung der Kristallite sowie die Durchmischung) von metallischen Ein- und Mehrschichtsystemen durch die Bestrahlung mit ultrakurz gepulster Laserstrahlung untersucht. Hierzu werden komplementär in situ und ex situ Analysen sowie Multiskalen-Simulationen durchgeführt. Am LHM soll dafür insbesondere die vorhandene innovative Messtechnik für die in situ Untersuchungen in Anwendung gebracht werden. Des Weiteren ist die Simulation der Ablation mittels hydrodynamischer Berechnungen geplant. In Freiberg wird mittels hochauflösender Elektronenstrahlverfahren und vielen weiteren Analyseverfahren die Kristallinität und die Konzentration der Elemente bestimmt. In Aachen sollen molekulardynamische Simulationen der Ablation, der Rekristallisation sowie der Diffusion der Elemente durchgeführt werden.
SI-OBERFLÄCHENMODFIKATION
In Zusammenarbeit mit Professor Martin Garcia und seinem Team von der Universität Kassel untersucht die Forschungsgruppe die Wechselwirkung von ultrakurz gepulster Laserstrahlung mit Silizium.
Die innovative Messtechnik der Forschungsgruppe in Mittweida erlaubt die Bereitstellung der experimentell ermittelten Eingangsparameter für die theoretischen Simulationen. Gleichfalls werden diese zur Überprüfung der modellhaften Beschreibung der Wechselwirkung der Laserstrahlung mit dem Material und der Simulation der induzierten Ablation mittels Molekulardynamik der Forschungsgruppe aus Kassel verwendet.
LA PLALMA
Im Mai 2024 erteilte die DFG einen weiteren Projektvorschlag zur alleinigen Bearbeitung an die Forschungsgruppe. Im neuen Projekt LA PLALMA soll vorrangig die Wechselwirkung von einem Folgepuls mit einer bestehenden Ablationswolke, bestehend aus Dampf, Partikeln und Plasma untersucht werden. Der Folgepuls soll dabei die Ablationswolke nicht zentrisch treffen, sondern seitlich versetzt. Die dabei stattfindende Wechselwirkung des Folgepulses mit der Ablationswolke hat einen entscheidenden Einfluss auf die finale Abtragsstruktur. Die stattfindenden Prozesse unterscheiden sich von denen einer zentrischen Bestrahlung und sind Gegenstand des Forschungsvorhabens.
Zeit ist relativ – diese Erkenntnis treibt die Wissenschaft schon seit Albert Einstein und ist Quelle der Motivation für die Forschungsgruppe um Professor Alexander Horn. “Je kürzer die Wechselwirkung zwischen Laserstrahlung und Materie ist, desto genauer wollen wir hinschauen und versuchen zu verstehen was, wann, wo und warum passiert.“
Text: Prof. Alexander Horn Bilder: Hochschule Mittweida
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