Das von Professor Matthias Vodel im Jahr 2019 ins Leben gerufene “Living Lab: Motion Simulation & Softwareentwicklung” bietet sowohl Studierenden und Lehrenden als auch externen Interessenten die Möglichkeit, hochkarätige Rennfahrzeuge in einer besonders hochauflösenden und detailgetreuen Simulation zu erleben. Das „Living Lab“ steht dabei für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der MINT-Studiengänge (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) an der Hochschule Mittweida. Das Besondere an der Zusammenarbeit sind der hautnahe Praxisbezug und das unmittelbar gekoppelte Ergebnis und Erleben der eigenen Arbeit. Die gemeinsam umgesetzten Ergebnisse begeistern Menschen jeder Generation, was der Außenwerbung der Hochschule natürlich sehr zuträglich ist und hoffentlich viele junge Menschen für ein ingenieurtechnisches Studium nach Mittweida zieht.
Fokus Forschung: Zuwachs im Living Lab
Fokus Forschung: Zuwachs im Living Lab
Die „Black Mamba“ des TMM findet ein neues Zuhause
Um solche ausgereiften Simulatoren zu entwickeln, wie sie heute im “Living Lab” zu sehen sind, war es ein weiter Weg. Beim Betreten des Labors im Haus 6-001 ist die Historie der über die Jahre konstruierten Simulatoren klar erkennbar: Angefangen mit Simulatoren, die über lediglich zwei Linearmotoren das Fahrerfeedback vermitteln, bis hin zu Hardware, die mit einer leistungsfähigen Vier-Stempelanlage ausgestattet ist und nahezu in Echtzeit das Fahrverhalten wiedergeben kann. Weiterhin verfügen die neusten Evolutionsstufen der Fahrsimulatoren über vielfältige taktile Zusatz-Module und Lenksysteme, welche auch die stärksten Lenkkräfte realitätsgetreu abbilden können. Die Sitzplattform kann außerdem in Längs- und Querrichtung frei bewegt werden, um ein Über- und Untersteuern des Fahrzeuges nachzubilden (Traction-Loss-Plattform). Aber auch die aus einem realen Rennfahrzeug stammenden Recaro-Rennsitze lassen den Nutzer schnell vergessen, dass es sich hierbei „nur“ um eine Simulation handelt.
Im aktuellen Entwicklungsstand verfügt das Living Lab über mehrere angepasste Simulationsmodelle unterschiedlicher Fahrzeughersteller, welche real vermessen und anschließend spezifisch auf die Technikplattformen angepasst wurden. Die Simulatoren selbst fokussierten bisher ergonomische Anforderungen aus dem Bereich der Tourenwagen-Klassen, was primär die Sitzposition und der Anordnung der Bedienelemente betrifft. Um dieses Spektrum zu erweitern, stellt nun das Formula Student-Team der Hochschule Mittweida, Technikum Mittweida Motorsport (TMM), den selbst gebauten Rennboliden aus der vorherigen Saison zur Verfügung. Dieser wurde aufbereitet, sodass die entsprechenden Hardwarekomponenten, die extra für Formelrennwagen entwickelt wurden, angeschlossen werden können.
Das TMM ist ein Projekt der Fakultät INW und wird von den Professoren Frank Weidermann und Lutz Rauchfuß geleitet. Auf den Spuren des ehemaligen Ingenieurs und Mittweidaer Studenten August Horch entwickeln in diesem Team seit 2006 Teilnehmer aller Fakultäten und Studiengänge Rennwagen für die „Formula Student“ – einem Wettbewerb eigenentwickelter Fahrzeuge im ingenieurtechnischen Umfeld. Motorsportbegeisterte Studentinnen und Studenten konstruieren und fertigen hier eigenständig einsitzige Rennwagen und messen sich anschließend in unterschiedlichen Disziplinen auf nationaler und internationaler Ebene.
Nach zahlreichen Verbrenner-Modellen konzentriert sich das TMM seit 2016 auf die Entwicklung von elektrischen Rennfahrzeugen. Der nun dem Living Lab übergebene Rennbolide, die Black Mamba, wurde im Jahre 2021 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Das knapp drei Meter lange und mit allen Komponenten 256 Kilogramm schwere Fahrzeug wurde von einem 68 Kilowatt starken Motor mit bis zu 80 Newtonmeter angetrieben. Weitere Highlights waren und sind dabei der selbst entwickelte 412 Volt Lithium-Ion Hochvolt-Akku und die Verkleidung aus Flachsfaser, welche im vorherigen Rennfahrzeug für ihre Umweltfreundlichkeit ausgezeichnet wurde. Nach verschiedenen Herausforderungen über die Corona-Zeit gilt die letztjährige Teilnahme der Black Mamba bei der Formula Student Germany auf dem Hockenheimring und bei der Formula Student Netherlands in Assen als interner Neuanfang des Motorsportteams. Aktuell befindet sich das TMM in der Endphase der Fertigstellung des nun dritten Elektro-Rennwagens, mit dem im Jahre 2025 an weiteren Formula Student-Rennevents teilgenommen werden soll.
Weitere Informationen zum TMM sind unter dem Link https://www.tm-motorsport.net/ zu finden.
Diese Erweiterung des “Living Labs” dient nicht nur dazu, interessierten Motorsportfanatikern die Möglichkeit zu geben, einmal in einem solchen Boliden Platz zu nehmen, sondern unterstützt gleichermaßen das derzeitig unter Professor Vodel laufende Forschungsvorhaben „Telemetriedatenbasierte ML-Datenanalyse & Konfigurationsmanagement im Bereich Automotive Simulation“. In diesem Projekt geht es maßgeblich darum, Fahrzeugdaten aus dem Rennsport, dem zivilen Straßenverkehr und auch mit Simulationen zu sammeln und mithilfe KI-gestützter Prozesse zu analysieren und auszuwerten. Zugleich soll der neue Simulator seitens des TMMs zum besseren Training ihrer Rennfahrer eingesetzt werden.
Text: Max Schlosser, Michael Walther, Robin Erler und Christoph Große
Bilder: TMM