„Ceramics“, „Additive Manufacturing“ und „Selective Laser Sintering“: Aus diesen Begriffen setzt sich das Projektakronym des abgeschlossenen Projekts CerAM SLS zusammen. Es ging also um die additive Herstellung von Keramiken mit Hilfe des SLS-Verfahrens. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit, worauf der Langtitel des Projekts hinweist: „Qualification of thermoset-based powders for selective laser sintering of ceramic components“. Genau genommen ging es nämlich um die Qualifizierung von Pulvern auf Duroplastbasis für das selektive Lasersintern von Keramikbauteilen.
Fokus Forschung: 3D-Druck photokatalytisch aktiver Keramiken
Fokus Forschung: 3D-Druck photokatalytisch aktiver Keramiken
EU-Projekt CerAM SLS mit den Partnern Fraunhofer IKTS aus Dresden und TIGER Coatings GmbH aus Österreich wurde erfolgreich abgeschlossen
Das SLS- Verfahren ist mittlerweile ein etabliertes Verfahren für den 3D-Druck von Kunststoffbauteilen wie Nylon, TPU, PP und PA. Verschiedenste Hersteller bieten dafür mittlerweile Maschinen an, deren Preise dadurch teilweise stark zurückgegangen sind. Ein großer Vorteil des SLS-Verfahrens ist hierbei, dass die Bauteile ohne Stützstrukturen auskommen, was den notwendigen Nachbearbeitungsaufwand deutlich reduziert. Nach wie vor gibt es aber deutlichen Entwicklungsbedarf, vor allem im Bereich der Strukturauflösung, der Oberflächengüte und der bearbeitbaren Materialien. In letzterem Punkt setzte das Projekt CerAM SLS an, mit dem Ziel, die Materialpalette um keramische Bauteile und dabei im Speziellen um photokatalytisch aktive Keramiken zu erweitern.
Die Aufgaben im Projekt wurden in acht Arbeitspakete aufgeteilt. Die Gesamtfördersumme betrug rund 810.000 Euro.
Das Ziel des Vorhabens war die Entwicklung von Pulvern auf Duroplast-Basis für das SLS-Verfahren, mit denen photokatalytisch aktive Keramikbauteile gefertigt werden können. Diese photokatalytisch aktiven Keramiken bilden bei der Bestrahlung mit UV-Licht freie Radikale, die zur Zersetzung organischer Substanzen führen, was insbesondere bei der (Ab )Wasseraufbereitung eine wichtige Rolle spielen soll, um schädliche, überwiegend von den Menschen in die Umwelt eingebrachte, organische Substanzen wie Pestizide, Hormone und Medikamentenrückstände zu entfernen, deren Konzentrationen stetig steigen. Allein im Trinkwasser wurden laut Umweltbundesamt bis 2023 schon 40 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe (sowie ihrer Transformations- und Abbauprodukte) festgestellt. Im Grundwasser (104), Oberflächenwasser (222) und im Ablauf von Kläranlagen (327) sind die Zahlen dagegen deutlich höher mit entsprechenden Folgen für die Umwelt (z. B. Unfruchtbarkeit und Nierenschäden bei Fischen). Gerade letztere Zahl zeigt, dass konventionelle Kläranlagen nicht in der Lage sind, diese Spurenstoffe zuverlässig zu entfernen. Aktuell verfügbare Möglichkeiten zur Modernisierung der Kläranlagen sind kostenintensiv, wartungsintensiv und/oder nicht in der Lage, sämtliche Spurenstoffe herauszufiltern. Hier setzte das Projekt CerAM SLS an, um neuartige, kostengünstige und langlebige Filterelemente zu entwickeln, die auch dezentralisiert zum Einsatz kommen könnten, z. B. in Campingwagen, Wohnhäusern und Kliniken.
Bisherige photokatalytische Technologien waren schon vielversprechend im Einsatz bei der Spurenstoffbeseitigung. Aufgrund fehlender Trägerstrukturen, geringer Haltbarkeit und energetischen Ineffizienzen konnte aber noch keine Marktreife hergestellt werden. Die Methodik bei CerAM SLS erlaubt es hier vor allem, Strukturen aus Vollmaterial herzustellen (was eine sehr hohe Standzeit erlaubt) und Strukturen mit großen Oberflächen und optimierten Strukturen zu erzeugen, um damit eine hohe photokatalytische Aktivität zu gewährleisten.
Um mittels SLS derartige Bauteile fertigen zu können, wurden kommerziell verfügbare photokatalytisch aktive Keramikpartikel in eine Polymer-Matrix eingebettet, danach zu Pulvern verarbeitet, anschließend mittels SLS-Verfahren in Form gebracht und diese sogenannten Grünteile zum Abschluss bei definierten Temperaturen gesintert, um das noch enthaltene Polymer zu entfernen und eine reine Keramik zu erhalten, die ihre photokatalytische Aktivität behalten hat.
Bei einer direkten Bestrahlung der Keramikpartikel mit einem Laserstrahl könnte die Bearbeitungstemperatur nämlich nicht genau genug eingestellt werden, so dass eine Phasenumwandlung in der Keramik auftreten würde, bei der die Keramik ihre photokatalytische Aktivität verliert. Die Hochschule Mittweida war insbesondere mit ihrem verfügbaren Know-How und der Technik im Mikro-SLS-Bereich mit Strukturauflösungen < 50 µm gefragt, um Bauteile mit deutlich erhöhter aktiver Oberfläche pro Volumen herzustellen.
Beteiligung der Hochschule Mittweida im Projekt
Projektleiter an der Hochschule Mittweida war Professor André Streek, fachlich involviert war das Laserinstitut Hochschule Mittweida überwiegend aufgrund der speziellen Anlagentechnik, die das Projekt dazu befähigte, Grünkörper mit einer Strukturauflösung von bis zu 50 µm zu erzeugen. Hierzu kamen die selbst gebauten µSLS-Anlagen zum Einsatz sowie ein Windsichtgerät, mit dem die für sehr feine Strukturen notwendigen Pulverfraktionen hergestellt werden konnten. Hier war auch das hauseigene Know-How gefragt, da das für die Keramikbauteile verwendete Startmaterial einige Herausforderungen bot, die sich in dem Umfang bisher noch nicht stellten. Zum einen war das Pulver durch den Polymeranteil sehr leicht, was zwischenpartikuläre Kräfte stärker zur Entfaltung kommen ließ und zu vermehrten Agglomerationen und Oberflächenanhaftungen an Maschinenteilen führte. Zum anderen war das Pulver unförmig und bestand durch die Polymer-Keramik-Matrix gleichzeitig aus relativ weichem als auch sehr hartem Material, wodurch sich die Pulverpartikel ineinander verkeilen und einarbeiten konnten, was wie die angesprochenen Agglomerationen zu einem erheblich schlechteren Pulveraufzug führte. Trotz dessen konnten aus dem Ausgangsmaterial verschiedene Pulverfraktionen mit z. B. Korngrößen bis d90 = 10 µm hergestellt und Grünkörper mit einer Strukturauflösung von 50 µm erzeugt werden. Das Referat Forschung unterstützte in Zusammenarbeit mit der SAB (Sächsische Aufbaubank) die administrative Abwicklung des EU-Projektes.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick
Vom Projektpartner TIGER konnten Pulver hergestellt werden, die für den Einsatz auf kommerziell verfügbaren SLS-Maschinen im Wellenlängenbereich von 445 nm bis 10,6 µm qualifiziert wurden. Dabei konnte der Keramikanteil im Pulver auf bis zu 60 % erhöht werden, wobei eine ausreichende mechanische Stabilität noch gewährleistet werden konnte.
Es wird erwartet, dass das im Rahmen des Projekts entwickelte organische duroplastische Bindermaterial in Kombination mit dem keramischen SLS-Druck und dem Sinterverfahren auch für eine Vielzahl anderer keramischer Werkstoffe geeignet ist, was somit ein sehr wertvolles Know-how darstellt, das von TIGER und IKTS in Form eines europäischen Patents angemeldet wurde, um die wirtschaftliche Verwertbarkeit durch die Projektpartner sicherzustellen (Patentnummer EP23182257).
Weiterhin konnte eine Sinterstrategie entwickelt werden, bei der die photokatalytische Phase der Keramik weitgehend erhalten bleiben konnte. Das ist insofern bemerkenswert, da sich die notwendige Sintertemperatur weit über der Temperatur befand, bei der die Phasenumwandlung stattfindet. Im Vergleich zu tauchbeschichteten Strukturen wiesen die SLS-Strukturen jedoch nach wie vor niedrigere Abbauraten auf.
Zusätzlich konnte umfangreiches Know-How bei der Herstellung, Zusammensetzung und Fraktionierung der Ausgangspulver gewonnen werden sowie dem Einfluss dieser Parameter auf die Herstellbarkeit mittels der (µ)SLS-Technologien, der nachfolgenden Sinterung und der daraus resultierenden photokatalytischen Aktivität.
Gerade die vom LHM erzeugten µSLS-Proben lieferten sehr erfolgversprechende Ergebnisse, v. a. da diese im Prüfstand nur 1/14 des Volumens der mittels konventionellem SLS hergestellten Probekörper hatten, was bei voller Ausnutzung eine entsprechend bessere Abbaurate erwarten lässt.
Die letzte Veröffentlichung des Projektes kann unter folgendem Link aufgerufen werden: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2666539524000786
Perspektiven
Das Projekt hat seine Ziele erreicht und bietet mit seinen Ergebnissen gute Voraussetzungen für ein Nachfolgeprojekt, um eine wirtschaftliche Verwertbarkeit erzielen zu können. Eine weitere Optimierung der bisherigen Ergebnisse erscheint in allen Bereichen als möglich und weitere Punkte wären für Untersuchungen sehr interessant, u. a.:
1. Eine genauere Validierung der Unterschiede bei den Ergebnissen von µSLS- und SLS-Strukturen.
2. Gezielte Optimierung des Phasenverhältnisses in der Keramik durch Anpassung in den Bearbeitungsschritten (die Literatur gibt Hinweise auf ein optimales Phasenverhältnis für eine maximale photokatalytische Aktivität).
3. Herstellung eines Filter-Prototypen mit optimierter Ausleuchtung und Struktur, z. B. als SLS-µSLS-Hybrid.
4. Steigerung der Anwendungsmöglichkeiten durch Qualifizierung weiterer (Spezial-)Keramiken.
Danksagung
Das Projekt CerAM SLS wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Fördervereinbarung Nr. 958174 gefördert. Das Projekt wurde vom österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördert und im Rahmen des Programms „Produktion der Zukunft“ (FFG 892468) durchgeführt. Der Autor dankt der Sächsischen Aufbaubank (SAB) für die Finanzierung des CerAM SLS-Projekts - Antragsnummer: 100630574/100633121, das im Rahmen der EuProNet-Richtlinie gefördert wurde.
Text: Stefan Gronau
Bilder: CerAM SLS (1), Fraunhofer IKTS (2,4) Laserinstitut Hochschule Mittweida (3)