Fokus Forschung: Auf dem Weg zu einer Mikromobilitätslösung auf dem Campus

Fokus Forschung: Auf dem Weg zu einer Mikromobilitätslösung auf dem Campus

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Forscher Nachwuchs | NWK 2025 | Jim Köcher forscht am eCargo-Bike

Portrait Jim Köcher
Jim Köcher unterzieht das eCargo-Bike einem Belastungstest

Im urbanen Raum werden elektrifizierte Lastenräder zu einem immer attraktiveren Transportmittel in vielerlei Hinsicht. Diese kombinieren die Vorteile des unbeschwerten Vorankommens im Stadtverkehr mit der Möglichkeit des bequemen Güter- oder Personentransportes sowie einer CO2-neutralen Fortbewegung. Das an der Professur Intelligente Maschinensysteme unter der Leitung von Professor Jörg Hübler neu entwickelte eCargo-Bike der Hochschule Mittweida soll als nachhaltige Mobilitätslösung den Transport von Gütern und Personen auf dem Campus erleichtern. Beim Transport größerer Lasten wird die Rahmenstruktur oft erheblichen Belastungen ausgesetzt. Für den Bau einer Kleinserie und deren Nutzungsfreigabe ist deswegen eine umfassende Betriebsfestigkeitsprüfung (BFP) erforderlich, um ein Materialversagen an der Rahmenstruktur innerhalb der Produktlebensdauer zu vermeiden und damit die Sicherheit zu gewährleisten. Für die Prüfung steht an der Professur ein Rollenprüfstand zur Verfügung, mit welchem die im Produktleben auftretenden Belastungen in zeitlich verkürzter Form nachgestellt werden können (vgl. Abb. 1). Zwei elektromotorisch angetriebene Rollen erzeugen die Fahrbewegung, während auf diesen angebrachte Schlagleisten eine Überfahrt über Bodenunebenheiten nachstellen. Die Zuladung, Fahrgeschwindigkeiten und Schlagleistengeometrien sowie die Anzahl der Überfahrten über die Leisten ist nach DIN EN 17860-3 festgelegt.

Für eine möglichst realistische Prüfung ist es notwendig, die Belastungen durch das genormte Prüfprogramm auf dem Rollenprüfstand mit den in der Realität auftretenden Belastungen abzugleichen. Hierfür werden im Rahmen der Untersuchungen Belastungsdaten aus Feldtests gesammelt, die die typische Nutzung des eCargo-Bikes im Alltagsbetrieb und darüber hinaus abbilden. Dazu sind an höher belasteten Stellen des Fahrradrahmens Dehnmessstreifen, sowie Beschleunigungssensoren an Vorder- und Hinterachse angebracht worden. Mit einer zum Prüfprogramm identischen Zuladung wurde anschließend eine definierte Messstrecke von 10 km Länge mit unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten abgefahren (vgl. Abb. 2). Zusätzlich wurden Belastungen aus Sonderereignissen, wie der Überfahrt über Bordkanten oder Schwellen eingerechnet. Aus den stochastischen Belastungs-Zeit-Verläufen (vgl. Abb. 3) konnten mit den Methoden der Lastdatenreduzierung, der Rainflow-Klassierung und der Auswertung nach positiven Spannenpaaren sowie Klassengrenzenüberschreitungen, bewertbare Lastkollektive ermittelt werden. Diese wurden auf die Gesamtlebensdauer von 30 000 km hochskaliert, um die Belastungen über die gesamte Produktlebensdauer abzubilden.

Auf dem Prüfstand wurden in allen sechs genormten Prüfstufen Stichprobenmessungen vom Belastungszustand durchgeführt und ebenso mit den Methoden der Lastdatenreduzierung ausgewertet (vgl. Abb. 4). Das Gewicht des Fahrers wurde hierbei laut Norm mit mehreren angehangenen Ballastsäcken mit je 10 kg nachgestellt. In den Untersuchungen zeigte sich, dass die auf dem Prüfstand hervorgerufenen Belastungen deutlich höher sind und das Prüfprogramm eine deutlich schädlichere Wirkung auf den Rahmen des Lastenrades im Vergleich zu den Daten aus den Feldversuchen aufweist. Um dies zu ändern, wurde das Prüfprogramm schrittweise unter Abgleich der Belastungsspektren abgeschwächt, bis das Belastungsniveau dem der skalierten Messfahrt ähnlich war. Das überarbeitete Prüfprogramm wird nun zur Betriebsfestigkeitsprüfung an weiteren Prototypen des HSMW eCargo-Bikes genutzt, um die Rahmengeometrie zu optimieren und die Sicherheit über die gesamte Produktlebensdauer zu gewährleisten.

Live erleben kann man das eCargo-Bike übrigens gemeinsam mit der Forschungsgruppe der Professur Intelligente Maschinensysteme auf der Messe EUROBIKE in der kommenden Woche vom 25. bis 29. Juni in Frankfurt / Main am Stand 8.K014
Hochschule Mittweida auf der EUROBIKE

Zur Person

Jim Köcher studierte seit 2019 an der Hochschule Mittweida im Studiengang Maschinenbau mit der Fachrichtung Digitale Produktentwicklung / Mikromobilität und befasste sich im Rahmen seiner Masterarbeit mit der Betriebsfestigkeitsuntersuchung am HSMW eCargo-Bike. Seitdem arbeitet er an der Professur Intelligente Maschinensysteme der HSMW und ist weiterhin im Bereich der Mikromobilität tätig.

Text: Jim Köcher
Fotos und Grafiken: Helmut Hammer (1), Jim Köcher