Fokus Forschung: Numerische Strömungssimulation und Entwicklung eines mittels Mikro-SLM gefertigten Wärmeübertragers mit Gyroid-Struktur

Fokus Forschung: Numerische Strömungssimulation und Entwicklung eines mittels Mikro-SLM gefertigten Wärmeübertragers mit Gyroid-Struktur

Forschung, Konferenzteilnahmen, Nachwuchsforschung, Veranstaltungen, NWK

Forscher Nachwuchs | NWK 2025 | Justus Reuter forscht an Hochleistungs-Wärmeübertragern für maximale Energieeffizienz

Portrait Justus Reuter in gewölbtem Raum
Justus Reuter forscht zum Einfluss von Einlaufsystemen auf Strömungsverhalten und Wärmedurchgang in additiv gefertigten Wärmeübertragern

Mit zunehmenden Anforderungen an Energieeffizienz und kompakte Systemlösungen gewinnt die Entwicklung innovativer Wärmeübertrager an Bedeutung [1, 2]. Eine besondere Rolle spielen sogenannte Triply Periodic Minimal Surfaces (TPMS) – mathematisch beschreibbare, periodische Oberflächen, die sich durch ein besonders günstiges Verhältnis von Oberfläche zu Volumen auszeichnen [3, 4]. Die Gyroid-Minimaloberfläche, die in den 1970er Jahren von Alan Schoen bei der NASA entwickelt wurde, definiert durch die Gleichung sin(x)cos(y)+sin(y)cos(z)+sin(z)cos(x)=0, ist eine minimale Oberfläche, die sich durch geringen Strömungswiderstand sowie hohe mechanische Stabilität auszeichnet [5, 6, 7]. In einem aktuellen Forschungsprojekt an der Hochschule Mittweida wurde ein solcher Wärmeübertrager erfolgreich entwickelt, numerisch simuliert, mittels Mikro-SLM gefertigt und auf einem Prüfstand validiert [8].

Herstellung mittels Mikro-SLM: 100 µm Wandstärken aus Edelstahl 316L

Am Laserinstitut Hochschule Mittweida (LHM) wurde eine Mikro-SLM-Technologie etabliert, mit der sich hochfeine TPMS-Strukturen aus 316L-Edelstahl (Abb.1) realisieren lassen [8]. Der hier vorgestellte Wärmeübertrager besitzt eine Zellgröße von 2,51 mm und Wandstärken von 100 µm. Die Herausforderung bestand insbesondere in der gezielten Beherrschung lokaler Schichtüberhöhungen. Durch ein modulares Design mit konstanten Wandstärken konnte die Beschichtung stabilisiert und gleichzeitig die mechanische Robustheit durch verstärkte Gehäusebereiche erhalten werden. Dank der geringen Oberflächenrauheit (<10 µm) ist das Bauteil ideal für präzise thermofluiddynamische Anwendungen [9].

CFD-Simulation mit SST-k-ω-Modell und adaptiver Vernetzung

Für die Bewertung des Wärmeübertragers wurde ein gekoppelter CFD-Ansatz gewählt. Die Simulation erfolgte in Ansys Fluent mit dem SST-k-ω-Turbulenzmodell [4]. Dabei kamen polyhedrale Netze und adaptive Wandnahvernetzungen (Abb.2 links) zum Einsatz. Die Grenzschichtmodellierung wurde mittels eines eigens entwickelten Tools verbessert, das auf Basis des Newton-Raphson-Verfahrens die Wachstumsrate der Grenzschicht nach Wimshurst bestimmt [10]. Die Simulation zeigte eine sehr gute Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen – der Wärmeübergangskoeffizient erreichte Werte bei einer Gyroidzellgröße von 1 mm bis zu 12 kW/(m²·K), was einer Verbesserung von über 300 % im Vergleich zu klassischen Plattenwärmeübertragern entspricht [11, 8].

Validierung am Prüfstand: Wasser als Arbeitsmedium

Am institutseigenen Prüfstand (Abb.3) wurde der Wärmeübertrager unter Gegenstrombedingungen zur Validierung der Simulation untersucht. Das eingesetzte Wasser durchlief dabei das TPMS-Bauteil, wobei Ein- und Auslauftemperaturen über Pt100-Sensoren erfasst und der Volumenstrom präzise geregelt wurde. Ein Differenzdrucksensor dokumentierte den Druckverlust.

Die Messergebnisse (Abb. 4) bestätigten die Simulationsergebnisse: Ein Wärmeübergangskoeffizient von über 8 kW/(m²·K) (Abb. 4c) wurde bei einem geringen Druckabfall von 60 mbar erzielt. Im Vergleich erreichen industrielle Hochleistungswärmeübertrager Wärmeübergangskoeffizienten von 4 kW/(m²·K) [11]. Besonders überzeugend war die hohe Druckstabilität der Strukturen von bis zu 8 bar – ohne Leckagen [8].

Ausblick: Zukünftige Zellgrößen und industrielle Anwendungen

In weiteren Untersuchungen wurden bereits kleinere Zellgrößen von unter 1 mm betrachtet, die nochmals höhere Wärmeübergangskoeffizienten ermöglichten [8]. Die veränderten Strömungs- und Grenzschichtverhältnisse erfordern jedoch eine weiterführende Analyse. Mit dem neuen Know-how zu additiv gefertigten Gyroid-Wärmeübertragern könnten zukünftig Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, in der Leistungselektronik und Fertigungstechnik oder der Wasserstofftechnik realisiert werden.

Zur Person

Justus Reuter studierte ab 2020 Maschinenbau an der Hochschule Mittweida und promoviert derzeit unter der Betreuung von Prof. Dr.-Ing. Uwe Mahn zum Einfluss von Einlaufsystemen auf Strömungsverhalten und Wärmedurchgang in additiv gefertigten Wärmeübertragern. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Strömungssimulation, der Bauteilberechnung/FEM sowie im Werkzeugbau.

Literaturverzeichnis

  1. Eurostat. (2023). Sustainable development in the European Union - Monitoring report on progress towards the SDGs in an EU context. Publications Office of the European Union. Luxembourg. Abgerufen am 21. Mai 2025, von ec.europa.eu/eurostat/documents/15234730/16817772/KS-04-23-184-EN-N.pdf/845a1782-998d-a767-b097-f22ebe93d422
  2. Handelsblatt. (2024). Diese zehn Grafiken zeigen, wie die Lage in Deutschland wirklich ist. Abgerufen am 11. Oktober 2024, von www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/analyse-diesezehn-grafiken-zeigen-wie-die-lage-in-deutschland-wirklich-ist01/100064055.html;
  3. Aerospace Manufacturing and Design. (2020). nTopology heat exchanger design simulation. Abgerufen am 26. April 2024, von www.aerospacemanufacturinganddesign.com/news/ntopology-heat-exchanger-design-simulation/
  4. Kus, K., Wójcik, M., Malecha, Z., & Rogala, Z. (2024). Numerical and experimental investigation of the gyroid heat exchanger. International Journal of Heat and Mass Transfer. Elsevier, Wroclaw. Abgerufen am 21. Mai 2025, von Numerical and experimental investigation of the gyroid heat exchanger - ScienceDirect
  5. NASA. (1970). Schoen, Alan: Infinite periodic minimal surfaces without self-intersections. NASA Electronics Research Center Cambridge, MA, United States. Abgerufen am 26. April 2024, von ntrs.nasa.gov/citations/19700020472 6. Granados, M. C. (2023). Study of Triply Periodic Minimal Surfaces for Heat Transfer Applications (Masterarbeit). Department of Materials Science and Engineering, Uppsala University. Abgerufen am 26. April 2024, von uu.diva-portal.org/smash/get/diva2:1802129/FULLTEXT01.pdf
  6. Wadsö, I., & Holmqvist, S. (2020). Additively Manufactured Heat Exchangers - Development and Testing (Masterarbeit). Department of Design Sciences, Faculty of Engineering LTH, Lund University. Abgerufen am 26. April 2024, von lup.lub.lu.se/luur/download
  7. Heinrich, F., Reuter, J., Erler, M., & Streek, A. (2024). Design and fabrication of a TPMS-based micro heat exchanger via micro selective laser melting. Vortrag präsentiert auf der Jenaer Lasertagung, Jena. Abgerufen am 21. Mai 2025, von Start - 14. Jenaer Lasertagung
  8. Joram. (2023). Mit Mikro-SLM-Verfahren zu hochpräzisen Satellitenmechanismen. Abgerufen am 12. Oktober 2024, von 3druck.com/case-studies/mit-mikro-slm-verfahren-zuhochpraezisen-satellitenmechanismen-08117473/
  9. Wimshurst, A. (2021). Fluid Mechanics 101: Calculators & Tools. Oxford University. Abgerufen am 3. August 2024, von www.fluidmechanics101.com/pdf/calculators.pdf 11. schweizerfn.de1. (2023). Wärmetauscher. Abgerufen am 29. Mai 2024, von www.schweizer-fn.de/waerme/waermetauscher/waermetauscher.php

 

Text: Justus Reuter
Fotos und Grafiken: Helmut Hammer (1), Justus Reuter