Vorträge am 06. Mai 2022

Begrüßung durch die Hochschulleitung
Prof. Dr. Volker Tolkmitt, Prorektor Bildung an der Hochschule Mittweida

Begrüßung durch die Fakultätsleitung
Prof. Isolde Heintze, Dekanin der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mitttweida

Grußwort des Netzwerkes für Rekonstruktive Soziale Arbeit
Prof. Silke Bartmann

Organisatorisches
Prof. Stefan Busse, Hochschule Mittweida, Tagungsleiter
Markus Lohse M.A., Hochschule Mittweida

 

Referent:
Prof. Stefan Busse, Hochschule Mittweida

Beratungssituationen zu beobachten, zu verstehen, ihre Eigenlogik empirisch zu rekonstruieren und theoretisch zu rahmen, ist nach wie vor eine Herausforderung. Die interaktive Herstellung „guter“ Beratung ist ein komplexes und nicht widerspruchsfreies Unterfangen. Die Beratungsforschung identifiziert in der Regel Input- und Outcome-Faktoren, um Wirkfaktoren beziehungsweise Beratungseffekte mess- und fassbar zu machen. „Unterbelichtet“ bleibt dabei indessen die Blackbox dazwischen, die reale Beratungsinteraktion und -kommunikation respektive der Herstellungsprozess „guten“ Beratenseins. Empirisch wird jeweils entweder die Seite der Ratsuchenden oder die der Berater:innen beforscht, weniger deren Interaktion. In diesen spiegeln sich personale Muster der Beteiligten, Rollenskripte, institutionelle und organisationale Aufträge, Familien- und Teamdynamiken, Geschlechterverhältnisse und kulturelle Selbstverständlichkeiten. In ihnen werden Fälle bearbeitet und konstruiert. Beratungen sind Orte der Verwendung und Generierung von Wissen, aber auch verteilter Macht. Die Expertise von Professionals und die der Klient:innen treffen hier aufeinander und müssen in einem Arbeitsbündnis ko-produktiv verschränkt werden etc.

Die angekündigten Beiträge der Tagung beleuchten hierzu sehr unterschiedliche Dimensionen und Aspekte, um das komplexe Beratungsgeschehen zu rekonstruieren. Der Vortrag greift diese synoptisch auf und skizziert ein Kaleidoskop möglicher empirischer wie theoretischer Zugänge.

Referentin:
Dr. Ina Pick, Deutsches Seminar, Universität Basel

Im Vortrag möchte ich eine Merkmalsmatrix des Beratens vorstellen, die in einem interdisziplinären Buchprojekt (Pick 2017) entstanden ist. Dort wurde das Beraten (im weiten Sinne) auf der Grundlage empirisch-rekonstruktiver Ergebnisse in ganz unterschiedlichen Handlungsfeldern (z.B. Supervision, Wohnungslosenberatung, Weiterbildungsberatung, Bankberatung) verglichen und anhand von kommunikativen und konstellativen Merkmalen typologisiert. Die Merkmalsmatrix dient dazu, eine Systematisierung und Differenzierung des sprachlichen Handlungstyps Beraten auf Grundlage empirischer Gesprächsdaten zu ermöglichen. Sie soll auch eine Abgrenzung beratender von nicht-beratenden Handlungsformen erleichtern. Diese Arbeit ist im Sinne empiriebasierter Theoriebildung (Hirschauer 2008) mit weiterer Forschung zum Beraten zu differenzieren und weiterzuentwickeln.

Der Beitrag steht in der Tradition gesprächslinguistischer Perspektiven auf das Beraten, die auf Grundlage von Aufnahmen authentischer Beratungsgespräche die kommunikative Interaktion rekonstruktiv untersucht (u.a. Nothdurft et al. 1994, Kallmeyer 2000). Gesprächsanalysen sind in der Sozialen Arbeit bislang nur vereinzelt aufgegriffen worden und noch wenig verbreitet (s. aber u.a. Hitzler/Messmer 2008, Hall et al. 2014, Pfab 2020). Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Gesprächslinguistik kaum nach «guter» Beratung fragt, sondern sich lange auf die Deskription konzentriert hat.

Für das Beraten in der Sozialen Arbeit kann die im Vortrag vorgestellte Merkmalsmatrix als Reflexionsinstrument eingesetzt werden, das dazu beitragen kann, die sprachlich-kommunikativen Anforderungen an Beratende in den sehr diversen Beratungsformaten der Sozialen Arbeit klären und vergleichen zu helfen. Die Merkmalsmatrix ist – in der Tradition linguistischer Forschung – zunächst als ein deskriptiver Beitrag zur Beratungsforschung zu verstehen. Wie und ob man sie einsetzen kann, um gelingendes Beraten zu identifizieren oder zu trainieren, wird im Vortrag zur Diskussion gestellt.

Referentin:
Prof. Dr. Bettina Schreyögg, Dipl.-Psych., Professorin für Kommunikation und Coaching an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft Bremen

Die dominierende Arbeitsweise der Personenberatung ist das Gespräch, der professionelle Dialog zwischen Berater:in und Klientin. Kommunikation dient hier, neben dem Symbolgebrauch von Sprache, der zentralen beratenden Intervention als Werkzeug, unabhängig von den theoretischen und methodischen Ausrichtungen der Berater:innen. Welche Strukturmerkmale kommunikativ gesteuerte Interventionen im Beratungsgespräch aufweisen und wie sich Wirkprinzipien im Einzelnen entfalten, ist in der aktuellen Beratungsprozessforschung noch wenig untersucht.

Ausgehend davon, dass Reflexions- und Lernprozesse von Individuen an deren affektive Erfahrungen und Bewertungen gebunden sind, richtet der Vortrag die Aufmerksamkeit auf die Funktion von Emotionen in der Beratungskommunikation. Was ist das Spezifische an der Didaktik von Beratenden, bezogen auf die Arbeit mit und an Emotionen? Vorgestellt werden die Ergebnisse einer qualitativen Studie zum Verlauf von Coachinggesprächen, in der sechs Coaching Sitzungen gesprächswissenschaftlich analysiert wurden. Vor dem Hintergrund eines interaktiven Paradigmas werden acht Muster kommunikativer Emotionsregulation vorgestellt, die Hinweise auf eine beraterische Didaktik der Emotionsregulation liefern.

Referentinnen:
Prof. Dr. Nina Erdmann, Institut für die Wissenschaft Soziale Arbeit, Projektleitung im Forschungsprojekt „Wissensstrukturen und Wissensrelationierungen in den Hilfen zur Erziehung am Gegenstand Paarbeziehung“, TH Köln
B.A. Alena Schmier Studierende im M.A. Studiengang „Soziale Arbeit & Forschung“ Wissenschaftliche Hilfskraft im Forschungsprojekt „Wissensstrukturen und Wissensrelationierungen in den Hilfen zur Erziehung am Gegenstand Paarbeziehung", TH Köln

Fachkräfte Sozialer Arbeit in den Hilfen zur Erziehung sind im aufsuchenden Setting mit einer besonderen Form der Komplexität des Beratungshandelns konfrontiert. Das aufsuchende Setting macht sie zu Berater:innen besonderer Art. Der gelebte Alltag der Familie ist Ebene der Wahrnehmung für Probleme und Ebene, auf der Veränderung sichtbar wird. An der Komplexität der Alltagsbewältigung orientiert sich Beratungshandeln in den Hilfen zur Erziehung. Neben den Herausforderungen der Bewältigung von Care-Work und Erziehung, Anforderungen durch Schule, Erwerbsarbeit und allgemeine Lebensorganisation ist Familie auch strukturiert durch eine existierende oder aufgelöste Paarbeziehung. Dies ist in der Regel nicht explizites Thema aufsuchender Familienberatung im Rahmen der Hilfen zur Erziehung. Faktisch spielen Paarbeziehungen in Familien jedoch sehr häufig eine Rolle in der Arbeit der Fachkräfte in den Familien: sei es, da die Paarbeziehung in die Beziehungsdynamiken zwischen Eltern und Kindern hineinwirkt oder sei es, da Trennungen der Eltern als Paar die Paarebene in die Beratungsarbeit hineinholen. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass Fachkräfte qua eigener Sozialisation über Wissensbestände zu Paarbeziehung verfügen. Diese Ausgangslage ermöglicht es, in einer rekonstruktiven Annäherung Verbindungen von Fachwissen, biographisch erworbenem Wissen und in der Fallgenese entstehendes Wissen in der Beratungsarbeit mit Paaren zu erforschen. Über die Verbindung von biographisch begründetem Alltagswissens der Fachkräfte und akademisch angeeigneten Wissensbeständen im Handlungsvollzug gibt es bislang nur wenige empirische Erkenntnisse (vgl. Messmer 2017, S. 9; Oestreicher/Unterkofler 2014, S. 9; Oestreicher/Lemaire 2011, S. 235).

Vor diesem Hintergrund fragt das zugrundeliegende Forschungsprojekt mittels narrationsanalytischer Zugänge danach (vgl. Schütze 2016; Riemann 2000), wie Wissensstrukturen von Fachkräften in der Beratung am Gegenstand Paarbeziehung sichtbar werden. Im Vortrag werden erste Ergebnisse gezeigt und im Lichte bestehender Forschung diskutiert.

 

Referentinnen:
Prof. Dr. Claudia Streblow-Poser, FH Dortmund
Silke Welge, FH Dortmund
Monika Abramowski, FH Dortmund

Beratungsansätze in der Lehre zu vermitteln, stellt eine besondere Herausforderung dar: geht es doch darum, Studierende zu unterstützen, eine Haltung zu entwickeln und weniger darum, abfragbares Wissen zu generieren. Besonders betroffen von der Umstellung auf digitale Lehre waren daher die Lehrformate, die Selbsterfahrungsanteile beinhalten.

Die Fachhochschule Dortmund stellte zur Entwicklung und Erprobung kreativer digitaler Lehrformate Gelder zur Verfügung. Um eines der Projekte geht es im Vortrag: Personzentrierte Beratung lehren und lernen. Anhand von videografischen Mitschnitten authentischer Beratungssituationen wurden Selbstlerneinheiten für Studierende entwickelt. Bei der Produktion der Videos sowie der Supervision und Reflexion der Beratungssituationen wirkten neben den Projektverantwortlichen ausschließlich Studierende mit. Die Basisvariablen des Beratungsansatzes nach Carl Rogers (Echtheit, Empathie, Kongruenz), werden daher auch in diesem Vortrag nicht theoretisch vorgetragen, sondern anhand von Einblicken in die Videos vorgestellt. Dabei geht es sowohl um deren (digitale) Rekonstruktion als auch um die (Re-) konstruktion der Lehre von Beratung.

Informationen dazu folgen

Diese Veranstaltung findet im Dorint-Kongresshotel Chemnitz statt.

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